Donnerstag, 21. August 2014

Das wahrsprechende Ungeheuer

Von Sabine

Eines Tages, als der Professor in sein Labor kam, stellte er fest, dass sein Biest verschwunden war. Der Professor lebte zu einer Zeit, als es noch zum guten Ton für jeden Professor von Namen gehörte, an etwas zu experimentieren, das sowohl nutzlos als auch abscheulich war.

Doch wie es der Zufall wollte, hatte gerade dieses Biest eine sehr spezielle und – wie der Professor fand – eine sehr unanständige Gabe: Es sagte immer nur die Wahrheit.


Verständlicherweise erschütterte dieser Fund – oder besser Nichtfund – den Professor über alle Maßen. Seit jener verhängnisvollen Gewitternacht vor vielen Jahren, in der seine Frau gestorben und sein kleiner Junge verunglückt war, war das Biest sein stetiger und – wenn auch unfreiwillig – treuer Mitbewohner gewesen. Zunächst tat er das, was er immer zu tun pflegte, wenn es etwas nachzudenken gab. Er schenkte sich ein Glas Sherry ein und nahm seine Studierpfeife – die beste all seiner Pfeifen –  zur Hand. Dies war seit Jahren die Pose, in der ihm die besten Ideen kamen. Die Pfeife selbst hatte er noch nie entzündet oder auch nur zum Mund geführt. Doch dieser vielversprechenden Positur zum Trotz wollte ihm nicht einfallen, was zu tun sei. Das Biest war weg, es gab keine Spuren, die einen Hinweis hätten geben können. Es blieb ihm nichts anderes als zu warten, bis aufgebrachte Nachbarn das Biest fanden und es mit Mistgabeln wieder zu ihm trieben. Es war nicht das erste Mal, dass ihm eines seiner Experimente entwischt war.